Gewählte Publikation:
Ammer, A.
Genetische Basis der Aggression und potenzielle Angriffspunkte für Psycho- und Neuropharmaka
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universität Graz; 2024. pp. 136
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Reichmann Florian
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- Einleitung: Aggressives Verhalten ist eine normale, notwendige, in der Evolution erhalten gebliebene Verhaltensweise. Neben Nutzen wie Beschaffung und Verteidigung von Ressourcen bringt es auch Kosten in Form von Zeit, Energie und Verletzungsgefahr mit sich. Die Entstehung von aggressiven Verhalten ist noch nicht geklärt. Beteiligt daran sind Genetik, Umweltbelastung, soziokulturelle Umstände, Epigenetik Geschlecht, Neurotransmitter und Hormone. Ein menschlich lebensbedrohliches Verhalten wird als pathologisch angesehen. Geht das aggressive Verhalten eines Tieres über das arttypische hinaus wird es ebenfalls als pathologische Aggression bezeichnet. Der Zebrafisch ist ein Wirbeltier und weist eine ähnliche Struktur des Nervensystems wie der Mensch auf. Die Basensequenz der Fische stimmt zu etwa 70% mit der menschlichen überein. 84 % der Gene, von denen bekannt ist, dass sie mit menschlichen Krankheiten in Verbindung stehen, haben ein Äquivalent im Zebrafisch. Bei Zebrafischen kann aggressives Verhalten anhand von einem Zweikampf mit einem Artgenossen oder durch die Interaktion eines Fisches mit seinem Spiegelbild verlässlich erfasst werden, was die Möglichkeit eröffnet neue, für den Menschen relevante therapeutische Angriffspunkte zu finden.
Methoden und Ergebnisse: Basierend auf dem RNA-Sequenzierungsdatensatz einer rezent publizierten Studie wurden in dieser Diplomarbeit neue Erkenntnisse hinsichtlich aggressionsrelevanter Gene gewonnen. Es wurde untersucht, welche unterschiedlich exprimierten Gene zwischen hoch- und wenig aggressiven Zebrafischen auch im Menschen vorhanden sind. Jene, welche eine besonders hohe Übereinstimmung in der Basensequenz zum humanen Ortholog aufwiesen und zusätzlich Verbindungen zu neuropsychiatrischen Erkrankungen hatten, wurden mithilfe einer Literaturrecherche genauer betrachtet. Im Detail zeigten 122 Gene des Datensatzes eine 1:1 Orthologie zu einem menschlichen Gen. Keines dieser Gene wurde bereits mit aggressiven Verhalten in Verbindung gebracht. Allerdings stehen 34 der Gene mit neuropsychiatrischen Erkrankungen, welche auch mit aggressiven Verhaltensweisen assoziiert sind, in Zusammenhang. Die 10 gefundenen Gene mit der höchsten Orthologie, Chimerin 1 (CHN1), Vesicle Amine Transport 1 Like (VAT1L), Arachidonate 5-Lipooxydase (ALOX5), Nucleotid Binding Protein 1 (NUBP1), Guanidinoacetate N-Methyltransferase (GAMT), G-Protein Coupled Receptor 139 (GPR139), DnaJ Heat Shock Protein Family (Hsp40) Member A1 (DNAJA1), S100 laCalcium binding Protein A1 (S100A1), Platelet Activating Factor Acetylhydrolase 1b Catalytic Subunit 2 (PAFAH1B2) und Cholinergic Receptor Nicotinic Alpha 6 Subunit (CHRNA6) wurden genauer beschrieben.
Diskussion: Ein Teil der beschriebenen Gene könnten vielversprechende neue Ansatzpunkte in der Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen darstellen oder helfen Risikogruppen zu identifizieren. CHN1 und ALOX-5 spielen zum Beispiel bei Alzheimer Demenz eine Rolle. Es gibt bereits Präparate, mit ALOX-5 als Angriffspunkt wie die Isoliquirtigenin-Derivate und das bereits zugelassene Zileuton. NUPB1 wiederum steht mit Depressionen in Verbindung und GPR139 ist für die Regulierung von Suchtverhalten von Bedeutung. All diese Erkrankungen können potentiell zu erhöhter Aggression führen, weshalb Studien diesbezüglich von Interesse wären. Die pharmakologische Therapie der Behandlung von aggressiven Verhalten beläuft sich derzeit hauptsächlich auf atypische Antipsychotika, Antikonvulsiva und Lithium, die aber nicht spezifisch gegen exzessive Aggression entwickelt wurden und daher auch zahlreiche Nebenwirkungen aufweisen. Der Zebrafisch bietet mit seiner hohen genetischen Homologie zur humanen Nukleotidsequenz und seiner Empfindlichkeit gegenüber neurotroper Medikamente als Versuchstier in der Neurowissenschaft gut geeignete Eigenschaften. Unabhängig davon wie gut ein experimentelles Tiermodell ist, ist es aber nicht möglich eine komplexe Störung der humanen Gehirnleistung volls