Gewählte Publikation:
Rauscher, L.
Integrierte Versorgung geriatrischer Patient*innen
in der Niederlassung - Wertigkeit und Anwendbarkeit der österreichischen Choosing Wisely Kriterien anhand der Behandlungsempfehlungen für Harnwegsinfekte
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universität Graz; 2023. pp.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Roller-Wirnsberger Regina
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Wirnsberger Gerhard
- Altmetrics:
- Abstract:
- Hintergrund: Geriatrische Patient*innen weisen komplexe, medizinische Versorgungsbedürfnisse auf, wobei Leitlinien als Orientierung in deren medizinischen Management dienen. Choosing Wisely Kriterien beschreiben Versorgungsstrategien für häufig eingesetzte diagnostische und therapeutische Maßnahmen in der Behandlung dieser Patient*innen. Eine evidenzbasierte Validierung solcher Empfehlungen für das Management geriatrischer Patient*innen liegt bis dato nicht vor.
Ziel: Ziel ist die Evaluierung der Umsetzbarkeit des Choosing Wisely Kriteriums „Do not use antimicrobials to treat bacteriuria in older adults unless specific urinary tract symptoms are present“ (1,2) in der klinischen Praxis.
Methode: Basierend auf einem Mixed-Method Approach wurden Daten von Patient*innen mit Harnwegsinfekt aus der Studie SCOPE Plus (3) analysiert, um beobachtete diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen dem betrachteten Choosing Wisely Kriterium gegenüberzustellen. Im qualitativen Forschungsansatz erfolgte die Ergebung teilstrukturierter Interviews mit klinisch tätigen Ärzt*innen, welche zu ihren medizinischen Managementstrategien befragt wurden.
Ergebnisse: 22 von 80 Patient*innen (27,5 %, Alter: 83,4 ± 3,6, 22,7 % Männer) hatten zumindest einmalig im Studienzeitraum die Diagnose „Harnwegsinfekt“ erhalten, was einer Inzidenz von 6,9 pro 100 Personenjahren entspricht. 18 dieser 22 Patient*innen wurde die Diagnose im Studienzentrum gestellt. Bei 4 Patient*innen wurde die Diagnose als ICD-Codierung aus dem Arztbrief übernommen. Alle 18 Patient*innen waren antibiotisch therapiert worden, wobei am häufigsten Ciprofloxacin verabreicht worden war (38,9 % der Fälle). Risikofaktoren für die Entwicklung eines Harnwegsinfektes waren stattgehabte Rezidive und Harninkontinenz. Chronische Nierenfunktionsstörungen, kardiovaskuläre Vorerkrankungen und nephrologische oder Urogenitalerkrankungen waren die häufigsten Vorerkrankungen. Diagnostische Nachweismethoden umfassten Harnstreifentests und Harnkulturen (je 63,6 %) sowie Harnsediment und harnzytologische Analysen (je 54,5 %). 5 Patient*innen (22,7 %) schilderten anamnestisch dysurische Symptome. 9 der 22 Patient*innen wiesen rezidivierende Harnwegsinfekte auf, wobei 4 dieser 9 Patient*innen dysurische Symptome aufwiesen und 85 % der Rezidive antibiotisch behandelt worden waren.
Zu den Hauptgründe, weshalb Ärzt*innen in der klinischen Praxis von Leitlinien abweichen, zählten Befundinterpretationen aus pathologischer Sicht, das Vorliegen klinischer Symptome (Dysurie) und eine Anwendung von Leitlinien als zusätzliche Unterstützung.
Conclusio: Ein ausschließlicher Einsatz medizinischer Leitlinien, wie anhand des betrachteten Choosing Wisely Kriteriums exemplarisch dargestellt, ist bei geriatrischen Patient*innen nicht befriedigend detailliert belegt. Die Ergebnisse zeigen, dass im klinischen Alltag ein individueller, patient*innenzentrierter und erfahrungsgestützter Ansatz zur Anwendung kommt, den medizinische Leitlinien komplementieren.