Gewählte Publikation:
Gschwandtl, J.
Auswirkungen auf das Neugeborene von mütterlichen Psychopharmakakonsum in der Schwangerschaft – eine retrospektive Studie.
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2020. pp. 71
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Pichler Gerhard
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Raith Wolfgang
- Altmetrics:
- Abstract:
- Hintergrund:
In Österreich liegt die Prävalenz für psychische Erkrankungen bei 22,7%. Immer häufiger ist man im klinischen Alltag mit Schwangeren oder Stillenden unter Psychopharmakotherapie konfrontiert, was bei Patientinnen und Ärzten nicht selten ein Unbehagen auslöst. Kein einziges Psychopharmakon ist bis heute für Schwangere oder Stillende zugelassen – auch aus dem Grund, da Arzneimittelstudien an diesem Patientenkollektiv aus ethischen Gründen meist nur schwer durchführbar sind.
Der Gebrauch in der Schwangerschaft ist Thema diverser Studien. Abhängig vom gewählten Medikament lassen sich teratogene und fetotoxische Auswirkungen, neonatale Komplikationen sowie langfristige neurokognitiven Entwicklungsdefizite finden. In manchen Bereichen ist die Datenlage sehr kontrovers.
Material und Methoden:
In dieser retrospektiven Studie wurden Daten von sämtlichen Neugeborenen des LKH-Universitätsklinikums Graz aus den Jahren 2008 bis inklusive 2017, deren Mütter während der Schwangerschaft eine Psychopharmakotherapie erhielten, analysiert. Unser Augenmerk galt möglichen prä- oder postnatalen, sowie längerfristigen kognitiven Auffälligkeiten. Als Grundlage wurden Daten aus openMEDOCS und der PIA-Fetal Database verwendet. Der Rohdatensatz enthielt 31.816 Geburten. Nach Filterung auf eine intrauterine Psychopharmakexposition und Ausschluss bei gleichzeitiger Exposition gegenüber Alkohol, Drogen oder Substitutionsmedikamenten verblieben 163 Neugeborene in der Studie.
Ergebnisse:
19,8% der Kinder kamen als Frühgeborene und 20,4% mit einem Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile (SGA) zur Welt. 10% der Reifgeboren und 50% der Frühgeborenen präsentierten sich mit einer verzögerten Adaptation und 20,9% der Kinder waren von Malformationen betroffen. Im Detail litten 6,8% unter kardialen Fehlbildungen, 9,9% an einer nephrologischen bzw. urogenitalen Malformation und 3,1% an einer kranialen Auffälligkeit. Postnatal zeigten 17,9% Zeichen einer verzögerten Adaptation und 6,2% wiesen Entzugssymptome auf. 4,9% der Kinder litten in weiterer Folge an Krampfanfällen oder ähnlichen neurologischen Auffälligkeiten und bei 4,3% wurden Entwicklungsverzögerungen verzeichnet.
Conclusio:
Es gibt starke Hinweise, dass bei einer intrauterinen Psychopharmakoexposition vermehrt prä- und postnatale Komplikationen auftreten. Vor allem die Tatsache, dass 19,8% als Frühgeborene und 20,4% als SGA geboren wurden, ist besorgniserregend. Nicht nur 50% der Frühgeborenen, sondern auch 10% der Reifgeborenen präsentierten sich mit Zeichen einer verzögerten Adaptation. Deshalb gilt die Empfehlung, die Geburt in einem Schwerpunktkrankenhaus mit angeschlossener Neonatologie zu planen.
Jeder Kontakt mit einem Psychopharmakon in der Schwangerschaft sollte individuell nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung entschieden werden.